In drei kurzen Geschichten erzähle ich euch von der Entstehung der “Baikate“, dem Kampf um ein gutes Leben der Familie Schuster und zuletzt erlauben wir uns einen Blick auf das Leben der Menschen im “Baikatol” in der Zukunft. All dem übergeordnet erzähle ich euch meine Version der Legende der Elfenkönigin Eiliandrea. Wir betrachten uns die Zeit, in der die Geschichte der Elfenkönigin beginnt und das Ende ihrer Ära, das zugleich Neuanfang ist ...
Leseprobe
1670 im Baikatol Es
gab sie schon immer, die fanatischen Gläubigen, seien es die Muslime, die
Christen oder die Inka. Sie duldeten keine Götter oder Götzenbilder neben ihrem
wahren und einzigen Gott. So war es nicht sonderlich wunderlich, dass Pfarrer Kornleiber
eine Horde Gläubiger hinter sich herzog, um endlich das zu tun, was ihm bereits
lange auf der Seele lastete.
Die jüngsten Ereignisse hatten ihn in seinem
Vorhaben bestätigt. Er konnte nicht zulassen, dass eine mystische Figur mehr
Einfluss auf die Menschen ausübte, als Gottes heilige Kirche und obendrein deren
Gesetze unterminierte. Opfergaben und Pilgergänge waren pure Blasphemie! Wenn
auch sein Vorgänger Pfarrer Jakob die Sache mit einem Lächeln abtat und ihm bei
der Übergabe der Pfarrei riet die Angelegenheit einfach nicht ernst zu nehmen,
konnte er nicht über seinen Schatten springen. Dass die Leute sich während der
anhaltenden Dürre immer häufiger vor dieser Statue einfanden und ihr ihre ohnehin
dürftigen Nahrungsmittel als Opfergaben brachten, setzte dem Teufelswerk die
Krone auf. Gott allein entschied ob und wann es seinen Schäfchen besser gehen
würde. Ihm mussten sie huldigen, um ihn milde zu stimmen!
Pfarrer Kornleiber hatte kurzentschlossen gehandelt
und sich den Segen des Bistums eingeholt, um der Sache ein für alle Mal ein
Ende zu bereiten. In der Sonntagspredigt verlass er dann, nach einer
leidenschaftlichen Ansprache über den wahren Glauben, das Schreiben von Bischof
Langer, was die Gläubigen regelrecht erschreckte. Noch vor dem Schlusssegen
stieg Pfarrer Kornleiber von der Kanzel und forderte die gut 100 Gläubigen auf,
ihm mit Hämmern und Meißeln zu folgen.
Der Tross der Gläubigen blieb vor der gut
drei Meter hohen Statue Eiliandreas stehen. Pfarrer Kornleiber stieg auf den
Sockel und wandte sich an die Menschen.
»Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst
nicht andere Götter haben neben mir! Das 1. Gebot unseres Herren.« Er machte
eine kurze Pause und deutete dann auf die Statue. »Dieser Götze verdanken wir
die anhaltende Dürre. Sie ist der Teufel selbst und sie blendet brave Gläubige
unter Gottes Himmel mit fantastischen Geschichten, die keinen Weizen und kein
Korn, sondern nur das Böse wachsen lassen. Sie hat euch geblendet, hat über
viele Jahre und Jahrzehnte eure Seele vergiftet.« Pfarrer Kornleiber sah über
die Köpfe der Tiefgläubigen hinweg. Viele Dorfbewohner waren dem Tross gefolgt
und lauschten interessiert.
»Ja, auch ihr dort hinten, ihr
Leichtgläubigen, kommt und befreit euch von der Last dieser Götzenfigur! Gott
hat mich, einen kleinen Pfarrer zu euch geschickt, um endlich die gottgewollte
Ordnung wiederherzustellen. Selbst mein Vorgänger, er möge in seinem
Altersruhesitz auf Gottes Vergebung hoffen, war gefangen im Bann dieser Götze!
Jetzt lasst uns dieses Götzenbild niederreisen und die Steine in alle
Richtungen zerstreuen, auf dass sie nie mehr zusammenfinden!«
Pfarrer Kornleiber nahm höchstselbst einen
Vorschlaghammer zur Hand, bestieg eine Leiter und schlug Eiliandreas Kopf vom
Rumpf. Er benötigte unzählige Schläge, ehe sich der massive Stein, mit dem
feinen, verwitterten Gesicht, auch nur ein wenig regte. Als endlich der Kopf unter
lautem Johlen aber auch stillem Seufzen zu Boden polterte, stieg er erschöpft
von der Leiter.
Franz Schneider, der Messner, stieg nun hoch
und legte die Schlinge eines dicken Seiles um den Rumpf der zierlichen Figur,
die etwa zwei Mal so groß wie ein durchschnittlicher Mensch war. Viele kräftige
Männer zogen auf Kommando an dem langen Seil. Pfarrer Kornleiber stimmte ein
Halleluja an und ein Chor erschallte in mitten des Feldes, sodass der Gesang
noch am anderen Ende des Ortes zu hören war. Einzig das entschlossene »Zieht,
zieht, zieht« unterbrach den Chor.
Einige senkten den Blick, denn die Zerstörung
Eiliandreas Steinfigur betrübte sie sehr. Die meisten unter ihnen waren gläubige
Menschen und sahen Eiliandrea nicht als böses Fabelwesen, das der Kirche Konkurrenz
machen oder schaden wollte, sondern als jemand der ihnen beistand. Für sie war sie
das Herz des Baikatols und das seit Menschengedenken, lange bevor die erste
Kirche errichtet wurde.
Unter lautem Poltern zerfiel die Figur in
ihre ein Dutzend Einzelsteine, als sie der Länge nach dem permanenten ziehen
nachgab. Einige Menschen mussten zur Seite springen, weil einzelne Steine in
ihre Richtung rollten.
»Hoch lebe unser Gott und Herr!«, wetterte
Pfarrer Kornleiber und hielt die Bibel mit beiden Händen hoch. »Packt die
Steine und bringt sie so weit weg, wie ihr nur könnt. Geht in alle
Himmelsrichtungen und betet, damit der Herr uns diese schändliche Götzenverehrung
verzeiht und uns Regen sendet!«
Die Leute packten die schweren Steine, die
sie oft nur zu zweit tragen konnten, oder luden sie auf einen Karren und stoben
strahlenförmig auseinander.
Pfarrer Kornleiber winkte den Messner zu
sich, um ihm tragen zu helfen. Für Eiliandreas Kopf hatte er einen ganz
bestimmten Ort vorgesehen.