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Der Kuss



Inhalt:                                          
    „Der Kuss“ – die Geschichte von Luca, der seine Liebe fürs Leben durch den perfekten Kuss finden will.
  Er hat schon einiges erlebt, bis er völlig überraschend seiner Traumfrau Zoe gegenübersteht. Sie zaubert sofort Schmetterlinge in seinen Bauch, will aber vom Küssen überhaupt nichts wissen ...

Leseprobe: 

    Luca, bereits seit Minuten am Gatter stehend, bemerkte nicht, dass er längst heimlich beobachtet wurde.
    »Bist du auch ein Freund von Phil?«, fragte eine kindlich hohe Stimme aus dem Nichts kommend mit skeptischem Unterton.        
    Luca blickte sich erschrocken um, sah aber weit und breit niemanden, zu dem diese zarte Mädchenstimme gehören konnte. Er hörte ein Kichern, dann: »Hier oben!«
    Auf einem der dickeren Zweige der alten Buche, die unweit des Gatters im Hof stand, saß ein Mädchen, etwa neun Jahre alt. Es ließ sorglos die Beine baumeln.     »Du bist M 23!«
    »M 23?«, interessierte sich Luca und trat ein paar Schritte näher, um das Kind im diffusen Dämmerlicht besser sehen zu können.
    »Ich zähle die Leute. Bisher waren es 23 Männer und 20 Frauen. Ziemlich ausgeglichen. Phil meint, es würden mindestens 60 Frauen und noch mehr Männer kommen und natürlich noch einige Kinder, aber ich glaube im Grunde ist ihm egal wie viele kommen, Hauptsache es kommen viele. Und wer bist du?«
    »Ich heiße Luca. Luca Lindtner. Ich bin ein alter …«
    »Freund von Phil. Ja, ja. Sehr originell.« Einige Sekunden schaute sie aufs Feld hinaus. »Luca Lindtner?« Sie schien den Namen irgendwie einordnen zu wollen, gab sich dann aber cool. »Nein, von einem Luca Lindtner hat er nichts erzählt. Ich weiß nicht, ob ich dich reinlassen kann«, tat das Mädchen ganz wichtig, stieg auf einen niedrigeren Ast, setzte sich und ließ weiter ihre dürren Beine baumeln. Nur undeutlich sah Luca zwischen dem jungen Blattgrün ihre naturgewellten braunen Haare, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte.
    »Ob ich trotzdem rein darf? Was meinst du?«
    Die Kleine musterte Luca ohne Scham. »Du siehst ganz okay aus. Meinetwegen. Oh, halt ...«
    Zwei Frauen tauchten aus dem Halbdunkel der Abenddämmerung auf. Sie waren deutlich jünger als Luca. Seltsamerweise kam ihm die Frage in den Sinn, woher Phil nur all die vielen Leute kannte. Gut, zu Schulzeiten musste Phil nur mit den Fingern schnippen und alle kamen, wirklich alle. Doch jetzt, nach so vielen Jahren, das war etwas anderes. 
    »Hey, Nascha«, rief die kleinere von beiden, eine Asiatin mit knallrot gefärbten Haaren in einem modern geschneiderten Seidenkimono. Sie schlenderte Arm in Arm mit ihrer Freundin an Luca vorbei und beachtete ihn kaum.
    »Das waren Mai Lee und Pat. Sie sind lesbisch«, gab die Kleine wichtig von sich, als hätte sie erst vor kurzem die Bedeutung des Wortes erfahren und wollte es nun endlich auch mal benutzen. »Nummer F 21 und F 22.«
    Luca, der sich die ganze Zeit schon gefragt hatte, ob die Kleine Phils Tochter war, forderte nun seinerseits das Mädchen heraus. »Sind die zwei auch Bekannte von deinem Vater?«
    »Oh, du meinst Phil. Hab doch gewusst, dass du nichts weißt. Nein, Phil ist nicht mein richtiger Vater. Mein Pa ist’n Spinner …, sagt Zoe zumindest. Phil ist okay. Mai Lee und Pat hat nicht Phil eingeladen, sondern Zoe. Sie hängen öfter hier herum.«
    Luca blickte den beiden einen Moment hinterher. Unweigerlich fielen ihm Phils Worte ein, als er ihn im Avalon gefragte hatte, ob Zoe ebenfalls auf Frauen stehe. Das musst du selber herausfinden … »Das zu dem Thema …«
    »Was hast du gesagt?«
    »Nichts, hab nur laut gedacht. Ich geh’ dann mal rein, bevor ich Wurzeln schlage …«
    Augenblicklich sprintete jemand knapp an ihm vorbei und rempelte ihn ungeschickt an. Luca verlor das Gleichgewicht, knallte gegen das Gatter, konnte sich aber noch daran festhalten. Ehe er wusste, was geschehen war, sah er nur noch den Rücken einer schlanken Frau mit schwarzem Pferdeschwanz, die im sportlichen Joggingdress auf das Haus zusprintete. Prompt kam die Bestätigung auf eine wachsende Vermutung.
    »Das war Zoe. Sie joggt ständig.«
    Luca nickte nur und sah, wie Zoe auf die zwei Frauen zulief. Sie begrüßte Mai Lee und Pat mit Küsschen auf die Wange und verschwand dann recht schnell im Haus.
    ‚Okay, jetzt ist es amtlich …’, dachte Luca und machte sich kopfschüttelnd auf in Richtung bunte Lichter. ‚Deshalb also kein Kuss für mich!’ 
    »Hey M 23«, rief das Mädchen und Luca drehte sich noch einmal um, als die Kleine vom Baum sprang und mit sicherem Stand den Boden erreichte. Sie hatte etwas zu große, grau gefleckte Militärhosen sowie ein schwarzes Sweatshirt an und grinste frech.  
    »Zoe ist F 23.«