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Inhalt:
  
Die bunte Mütze erzählt in Episoden über die Magie einer bunten Wollmütze, die ihrem Träger Glück bringt und eine lange Reise in aller Herren Länder vor sich hat ...

Leseprobe:

1 Die wasserdichten Schuhe

Niemand wusste später genau wo die bunte Mütze herkam. Gefunden hatte sie ein Mädchen mit Namen Zoe Schuster auf der Flucht vor ihrem großen Bruder Phil, in mitten eines steinigen Feldwegs. Sie glaubte, die Feenkönigin Eiliandrea hätte sie hier hingelegt, damit sie sie quasi als Tarnkappe nutzen könnte. 
    Sie hatte Ihrem Bruder die Schuhe mit Regenwasser gefüllt, um zu sehen, ob diese tatsächlich wasserdicht seinen, wie Phil es immer angeberisch herumposaunt hatte. Als er die randvoll gefüllten, durchaus dichten Schuhe ordentlich beieinander stehend vor dem Haus fand und ihm die Glubschaugen eines kleinen Frosches entgegenstierten, holte er tief Luft, worauf ein »ZOOOOOOEEEEEEE« durch die Mauern des Bauernhofs hallte und sicher noch im gut 500 Meter entfernten Dorf zu hören war. 
    Zoe, sich keiner Schuld bewusst, fröhlich vor sich hin summend und Kaulquappen in ein Glas sammelnd, hob erschreckt den Kopf und sah auch schon ihren großen Bruder, die tropfend nassen Schuhe in der Hand, mit seinem massigen Körper auf sie zu stürmen. 
    »Bist du total verrückt geworden!«, schrie Phil, schnaubt dabei wie ein Wahlross und hatte einen knallroten Kopf. Zoe wusste nicht ob er den roten Kopf nun vom Laufen hatte oder ob sein Zorn der Grund dafür war. Sie musste nur, dass sie etwas falsch gemacht haben und nun rasch das Weite suchen musste. Erschreckt ließ sie das Einmachglas fallen, seufzte noch enttäuscht als die mühsam eingesammelten Kaulquappen herausflutschten und war auch schon mit ihren langen dünnen Stelzen auf der Flucht. Sie wusste, dass sie trotz ihrer sieben Jahre wesentlich schneller war als ihr fünf Jahre älterer, dicker Bruder, schließlich war sie nicht zum ersten Mal auf der Flucht vor ihm und er hatte sie bisher noch nie bekommen.
    Phil Schuster war kein böser großer Bruder, der seine kleine Schwester gerne stritzte, was es ja durchaus auch geben soll, es war eher so, dass Zoe eine gewisse Begabung darin hatte ihren Bruder immer wieder durch ihre ausgefallenen Ideen zur Weißglut zu bringen. Und das täglich.
    So flitzte sie durch das abenteuerliche Gelände des Bauernhofs und hoffte auch dieses Mal, sein Zorn würde mit jedem Schritt abnehmen. Angetrieben durch einen ordentlichen Groll bewies Phil jedoch sehr viel Ausdauer, kein Wunder, waren es doch seine Lieblinsschuhe, die er von Opa Adam kurz vor dessen Tod zu seinem 12. Geburtstag bekommen hatte. Also rannte Zoe kreuz und quer, zwängte sich zwischen parkenden Fahrzeugen hindurch, stieg über Gerümpel, versteckte sich in der Scheune, verließ diese heimlich durch das kleine Fenster im Saustall, kletterte durch den Riss in der Steinmauer, die den Hof umgab, und verließ am Ende sogar die schützenden, aber auch beengenden Mauern der Baikate und rannte aufs Feld hinaus. Sie blickte sich um und tatsächlich sah es so aus, als sei sie ihrem Bruder entkommen. 
    Zoe dämmerte, dass sie sich nicht so weit von der Baikate entfernen durfte und ging nun langsamen Schrittes den Feldweg entlang. Grillen zirpten und die Sonne brannte senkrecht vom Himmel herab auf ihre schwarzen Haare. Für einen Moment vergaß sie Phil, die Kaulquappen und die nassen Schuhe und genoss den Sommer. Eine leichte Brise streichelte ihre zarte Haut, was sie animierte ein Lied zu summen. Angeregt von ihrem Papa und dessen Geschichten über die Elfenkönigin, dichtete sie es spontan. Eines unter vielen. Eiliandrea würde sich bestimmt freuen.
 
            Eiliandrea - Elfe mit blondem Haar 
            Eiliandrea – nimm mich mit zu deiner Schar
            Schenk mir ein Zauberhut mit langer Spitze 
            Er bewahrt mich vor jeder Pfütze.

Zoe lachte noch über ihren blödsinnigen Reim und sah auch schon eine große Pfütze vor sich auf dem Weg, die wohl noch vom Gewitterregen der vergangenen Nacht übrig geblieben war. Doch was war das? Abrupt blieb sie stehen. Vor der Pfütze lag eine Mütze. Eine bunte Wollmütze, mit Ringelmuster. Zoes ohnehin große blaue Augen wurden noch weiter. Sie stützte die Fäuste in die kindlichen Hüften. ‚Das ist aber ein seltsamer Spitzhut!’, dachte sie. »Eiliandrea, das ist jetzt nicht dein ernst!«
     Sie beugte sich gerade zur Mütze um sie mit einem unzufriedenen Kopfschütteln aufzuheben, da hörte sie auch schon Phil brüllen. »ZOOOEEE! Komm jetzt sofort her. Du weißt doch, dass du nicht alleine aufs Feld gehen darfst!« Er eilte lange nicht mehr so entschieden auf sie zu und schnaubte dabei wie ein Walross. 
    Zoe griff sich die Mütze, ging in die Hocke und setzte sie sich schnell auf. Die Mütze war allerdings so groß, dass sie ihr glatt über die Stirn und Augen rutschte. Von ihrer kindlichen Phantasie beflügelt zog sie sie weiter über ihr Gesicht, sodass der ganze Kopf verhüllt war, nur ihre langen schwarzen Haare schauten noch heraus. Sie winkelte die Beine an und fixierte die Knie mit beiden Armen. »Du kannst mich nicht mehr sehen. Du kannst mich nicht mehr sehen. Du kannst mich nicht mehr sehen!«, schallte es gedämpft durch die dicke Wolle.
    Phil war endlich bei seiner Schwester angekommen und obgleich er außer Atem war, brachte ihn dieser kleine Gnom vor ihm zum Grinsen. Das war typisch für sie. Ihre kindliche Phantasie raubte ihm immer wieder seinen Zorn. 
    »Komm Zoe, steh auf, ich bin auch nicht mehr böse, versprochen.«
    »Ich bin gar nicht hier. Zumindest kannst du mich nicht sehen. Das ist nämlich eine Tarnkappe von Eiliandrea!« ......